Der kulste Junge der Schule

Ich interviewe den wohl jüngsten Verleger Deutschlands mitsamt seiner Familie und denke: Das-muss-wohl-der-kulste-Junge-der-Schule-sein.

Wir unterhalten uns innerhalb der Bänke-der-Begegnung-Veranstaltungsreihe an einem regnerischen Sommertag in Neu-Ulm. Die Begegnungsbank im Glacis-Park hat die ortsansässige Künstlerin Anna Sophia Boden gestaltet. Alexander Walz erscheint ebenfalls bestens vorbereitet, vom Heinrich-Heine-Lesezeichen bis hin zu meinem innig geliebten Gustave Flaubert, der das Lesen mit dem (Über-)Leben gleichgesetzt hat.

Der von Alexander Walz geschaffenen Edition Lettara zu begegnen ist „Ein Gang ins Ungewisse, oder dahin, wo das Reale aufhört zu existieren.“ Wir setzen ihn auf den von der Künstlerin gold-gerahmten Ehrenplatz, unter ihm küsst sich ein Königspaar. Fachmännisch werden mir alle bisher erschienenen Schätze vorgestellt, die sich durch ein profundes Corporate Design auszeichnen und schon jetzt einen Wiedererkennungswert beweisen. Alexander Walz eröffnet mir verschiedene Kriterien, durch die sich seine Bücher hervortun wollen. Eines davon ist die herausragende Sprache, ein weiteres sind besondere Inhalte. „Nullachtfünfzehnbücher“ seien dringend zu vermeiden. Verlagsarbeit heißt „Bücher ins Leben rufen“. Eine weitere Gemeinsamkeit, denke ich, während ich gedanklich an meinem Stadtschreiberbuch arbeite, denn was sollte eine „Verlebendigung der Dinge“ anderes sein, als etwas ins Leben Gerufenes?

Unsere Begegnungsbank steht unter alten und jungen Bäumen. Sehr passend, denn hier begegnen sich nicht nur drei Verlage (ich bin ja ebenfalls Verlegerin bei kul-ja! publishing und Florian L. Arnold ist mit der Edition Hibana als Verleger zugegen), sondern auch drei Generationen. Natürlich liegt auch dem jüngsten Verleger Deutschlands der Umweltschutz am Herzen. Alexander Walz denkt viel über die Zukunft nach, junge Bäume sind dafür ein lebendiges Sinnbild. Verleger Walz setzt sich mit seinem Unternehmen mit verschiedenen Aktionen für unseren Planeten ein: „Da gibt es beispielsweise den Nature Month“ erklärt er mir. Bis zum 1. Juli konnte man mit jedem gekauften Buch 2 Quadratmeter Urwald im „Land der Geisterblumen“ schützen. Ich halte die „Bibliomanie“ in den Händen, die aussieht wie eine appetitliche Tafel Leseschokolade und denke an meine ersten schulischen Schreibversuche in Richtung Literatur nach. Gar kein Vergleich zum bibliomanischen Schokoladenbuch, und dann klagt eine singende „Wirtshaussemmel“ in 16 Satiren. Die besonderen Inhalte der Edition Lettara zeichnen sich jedenfalls neben ungewöhnlichen Buchformaten, Leporellos und interessanten Minibüchern durch eine gehörige Portion Humor aus und fragt ganz nach Kurt Tucholsky: „Was darf Satire (heute noch)?“. – Ein Thema, das uns im Gespräch länger beschäftigt. Doch der kulste Junge der Schule war Gestalter und Grafiker, noch bevor er Verleger wurde, und ist es auch geblieben. Alexander Walz illustriert selbst.

Ich erzähle ihm von der Poetry-Slam AG des Neu-Ulmer Lessing-Gymnasiums und von dem Gedicht „Zehn-Zeilen-Du“, welches von Oktober (2022) bis Juli (2023) monatlich mit jeweils einer Strophe in der Literatür im Onlinemagazin von kul-ja !publishing erscheinen soll. Jede einzelne Strophe ist von einem anderen Schüler oder einer Schülerin der AG geschrieben. Zusammengesetzt ist ein Gedicht entstanden, welches ein lyrisches, unbekanntes „Du“ anspricht, vielleicht sogar den geneigten Leser selbst. Die Literatür verbindet immer ein Schreib-Talent mit einem Türbild. Der Jungverleger ist begeistert und erklärt sich bereit, die 10 Türen zum „Zehn-Zeilen-Du-Gedicht“ der Poetry Slam AG zu gestalten. Nicht nur als Stadtschreiberin bin ich beeindruckt von so viel Bereitschaft, Potenzial und kreativer Freude in Neu-Ulm und beschließe, das Gemeinschaftsgedicht auch in „Die Verlebendigung der Dinge“, mein Stadtschreiberbuch, mitaufzunehmen. Dass es dem Verleger wichtig ist, generationsübergreifend und gemeinschaftlich zu arbeiten, beweist nicht nur die Anwesenheit seines Großvaters Siegfried Arnold, sondern auch, dass „Der Unkrautbauer“ lebendige Lebenserfahrung in einem Buch zusammenfassen wird, welches wir schon bald in der Edition seines Enkelsohnes bestaunen dürfen. Ich für meinen Teil bin gespannt, was das Jungtalent Alexander Walz noch alles auf die Beine stellen und ins Leben rufen wird.

Mehr über Alexander Walz und die Edition Lettara unter:
https://www.editionlettara.de und https://www.instagram.com/alexanderwalz.art

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Fotos: Julia Kulewatz

 

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