Welcome Back

Erneut ankommen. Ein Versuch in Erfurt. Die „Welcome-Back-Lesung“ für September planen, das Leben sortieren in Altes, Neues, Gebrauchtes und Blaues (Blaues gab es mehr als genug, weshalb die Stadtschreiberin einmal sogar blaumachen musste) … versuchen zu integrieren, Altes gehen lassen, nicht alles Neue zulassen müssen.

Die Wenigsten können sich vorstellen, was es wirklich bedeutet, ein gut strukturiertes Leben für drei Monate zu verlassen. Wenn das so überhaupt möglich ist. Stellt euch vor, ihr verlasst eure Familie, euren Partner, eure Freunde und eure Tiere, euren Job und müsst parallel von einem neuen Ort aus alles am Laufen halten, und vergesst ja nicht das literarische Schreiben, das Sammeln von Eindrücken und das stete Glücklich-Sein darüber, dass ihr das überhaupt dürft, und zeigt das auf jeden Fall auch medienwirksam, seid marketingfähig, werdet Produkt, so oft ihr nur könnt, lasst euch ablichten, ganz egal, von wem. Erinnert euer Herz daran, es geht um Literatur, auch wenn der Verstand längst erkannt hat, was das Herz noch nicht zulassen will. In drei Monaten kann viel passieren. Bei mir ist viel passiert. Menschen, die man liebt, können krank werden, können von jetzt auf gleich nicht mehr da sein. Aber Hauptsache, man ist verfügbar.

Ich habe, seit ich denken kann, ein, sagen wir mal, spezielles Verhältnis zu Bildern. Das liegt zum einen daran, dass es auch ein Leben vor meinem Literaturstudium gab, zum anderen liegt es ganz einfach an dieser Zeit, in der jeder einfach nur noch, und das zumeist ungefragt, das Handy zückt. Für mich ist das nicht Teil der Kunst, sondern es zerstört sie, bringt sie in Gefahr. Künstler, die sich dem Abgelichtet-Werden verweigern, werden in unserer mega-medialen Zeit schnell unsichtbar, was unsichtbar ist, existiert nicht, wer „nein“ sagt, wird unbequem. In einer geschützten Umgebung zu schreiben ist wichtig für mein Schaffen. Das war mir in Neu-Ulm nicht vergönnt. Derzeit muss ich alles hinterfragen. Vor Jahren war das der Grund für mein Philosophie-Studium, das Hinterfragen. Das Wort „Buschfunk“ ist ein interessantes Wort und funktioniert in zwei Richtungen; vor und zurück, als ginge man auf einer Geraden, was natürlich ein Trugschluss ist.

Ich halte diesen Blog bis zur Veröffentlichung meines Buches „Die Verlebendigung der Dinge“ ebenfalls lebendig, als wäre er ein Freund. So werde ich lesbar sein und bleiben, aber nicht länger abzulichten. In einem Foto schreibt der Blick des Fotografen auf das abzulichtende Objekt stets mit. Eine Perspektive auf die Welt, ein Ausschnitt des Fühlens und angenommener Wirklichkeit. Man könnte jetzt über die Phänomenologie des Fotos und des Augenblickes philosophieren, aber das hebe ich mir für geisteswissenschaftliche Betrachtungen oder eben für Gedichte auf. Insgesamt gibt es Vieles aufzuheben. Ich habe mir versprochen, selten zurückzublicken, das konserviert Schmerz. „Verweile doch! du bist so schön!“ – als hätte sich mein Bänke der Begegnungen-Projekt verselbstständigt, verlebendigt, um genauer zu sein. Auch die Idee dahinter werde ich noch einmal genauer auf diesem Blog eruieren, so wie die Begegnungen, die ich in Neu-Ulm mit besonderen Menschen hatte, Menschen, mit denen man verweilen will, im Moment, unfotografiert, nicht abgelichtet, ganz bei uns werden wir Literatur.

Denn retrospektiv muss man sich der Frage stellen, was bleibt?

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Fotos: Julia Kulewatz

 

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